In memoriam

KMD Hartwig Eschenburg

* 22. Januar 1934 – † 4. Februar 2025

»Hartwig Eschenburg war einer der ganz großen Vertreter der Kirchenmusik in der damaligen DDR. Seine Aufnahme der Motetten von J. S. Bach hat mich stark beeindruckt. Dank seiner Inspiration wurde durch die Musik für viele Menschen das Leben reicher und ihr Glauben gestärkt.« Hans-Christoph Rademann

In der DDR-Großstadt Rostock (den Zusatz Hansestadt erhielt sie erst 1990) ereignete sich am 11. Juni 1984 Unglaubliches. Die Gächinger Kantorei und das Bach-Collegium Stuttgart musizierten in der Rostocker Heiligen-Geist-Kirche unter Leitung von Helmuth Rilling Bachs h-Moll-Messe. Ein denkwürdiges, für alle Anwesenden überwältigendes, unter den damaligen Bedingungen kaum für möglich gehaltenes Konzert. Als spontanen Ausdruck seiner tiefen Bewegtheit angesichts des Erlebten verfasste der Rostocker Kirchenmusikdirektor Hartwig Eschenburg ein Gedicht, in welchem er Bachs Musik als »das höchste, was in Noten von einem Menschen je erdacht, und was der Kern des Lebens« spricht: jener habe sich an jenem Abend »in seiner inn’ren Kraft in unser Herz begeben«.

Vor dem Konzert 1984: Hartwig Eschenburg, Helmuth Rilling, Konzertmeister Walter Forchert
Vor dem Konzert 1984: Hartwig Eschenburg, Helmuth Rilling, Konzertmeister Walter Forchert
Rostock, ca. 1973
Rostock, ca. 1973

Die Bekanntschaft der beiden Kirchenmusiker über die innerdeutsche Grenze hinweg begann bereits Anfang der 60-er Jahre, und sie wurde zu einer engen persönlichen und künstlerischen Freundschaft über Jahrzehnte. Beflügelt wurde sie 1964 mit der Gründung des Rostocker Motettenchores, die von Helmuth Rilling angeregt und unterstützt wurde. Dieses Ensemble mit seinem Leiter Hartwig Eschenburg sollte 1982/83 als erster und einziger kirchlicher Chor in der DDR bei der staatlichen Firma VEB Deutsche Schallplatten Aufnahmen veröffentlichen – eine LP mit dem Titel »Abendstille« und die Motetten von Johann Sebastian Bach.

Das unerschöpfliche Potenzial dieser Musik, Grenzen überwinden zu können, sie gar einreißen zu können, wurde Hartwig Eschenburg zu einer wichtigen Antriebsfeder seines künstlerischen Schaffens. Davon legt u. a. auch ein Essay aus seiner Feder Zeugnis ab, der 2003 in einer gemeinsamen Publikation der Bachakademie und der Neuen Bachgesellschaft erschien. Hartwig Eschenburg ist nun im Alter von 91 Jahren gestorben. Wir sind in Gedanken und Herzen bei seiner Familie; seinem Namen wird die Internationale Bachakademie Stuttgart auf immer ein ehrendes Andenken bewahren.

Helmuth Rilling und Hartwig Eschenburg, 1984
Helmuth Rilling und Hartwig Eschenburg, 1984